Von Tablets und Patatas bravas in Valencia
Sonntag 6. Juni 2022 in Valencia, Spanien. 31 Grad und 80 % Luftfeuchtigkeit. Orangenbäume, Palmen und Bougainvilleas säumen die Straßen. Im Altstadtviertel El Carmen suche ich vergeblich nach meinem Hotel… Als ich die Straßenschilder betrachte, fällt mir plötzlich auf: Valencia ist zweisprachig! Die regionale Amtsprache Valencianisch (für Straße: carrer) und Spanisch (calle). Um diese Zeit ist die Stadt fast eingeschlafen. Doch später um 14 Uhr werden Rolltore geöffnet, Tische und Stühle ausgestellt und die Restaurants öffnen endlich, denn mein Magen knurrt schon länger. Mit meinen Brocken Spanisch kann ich gerade mein erstes Tapasgericht bestellen: Patatas bravas, das sind knusprige Ofen-Kartoffeln mit einer würzigen Tomaten-Sauce und einer Mayonnaise mit Knoblauch. Die Leute, jung und alt, sind sehr freundlich und ich höre sogar eine Flamencogitarre hinter mir auf dem Platz Plaza de la Virgen spielen. Um mich herum stehen eine Basilika, eine Kathedrale, ein Brunnen, ein Museum und Häuser mit vielen Fresken oder Graffiti (murales). Offensichtlich ist dieser Ort historisch stark geprägt und gleichzeitig magisch. Das sind meine ersten Eindrücke von dieser wunderschönen Stadt, die ich dank des Erasmus-Projekts eine Woche lang erkunden darf.
Der Titel des Kurses ist „Tablets and Smartphones: Using mobile devices as educational tools“ und wird auf Englisch gehalten. Zusammen mit mir lernen neun andere Lehrkräfte aus Frankreich, Italien, Polen und Deutschland, wie sie verschiedene Apps im Unterricht sinnvoll einsetzen können. Die meisten von ihnen haben schon viele Erfahrungen mit der Digitalisierung gemacht, notgezwungen während des ersten Lockdowns und später mit dem Hybridunterricht. Doch einige von ihnen sind noch unsicher, ob sich der Einsatz von Tablets oder Smartphones in der Schule lohnt. Dem Kursleiter sind die Schwierigkeiten bewusst, mit denen die LehrerInnen in ihrem Alltag konfrontiert sind: Eine schlechte Internet-Verbindung, veraltete Geräte, mangelnde Kenntnisse und der hohe Arbeitsaufwand mit den Apps, wo wir doch alle zu wenig Zeit haben! Doch er macht uns Hoffnung und präsentiert nützliche Tools, die wir bald in den Unterricht integrieren können.
Für die Fremdsprachen sind die Vorteile des Tabletts immens: Ein Schatz an authentischen Bildern, Audiodateien und Videos, die mit einem Click abrufbar sind; den Lernenden individuell angepasste Aufgaben und sofortiges Feedback, ob die Antwort stimmt oder nicht; spielerische, interaktive Aufgaben für Kooperation oder Wettbewerb in der Klasse und, und, und… Jeden Tag werden den Kursteilnehmern verschiedene Apps präsentiert und in Details ausprobiert: Quizizz, Quizlet, LearningApps, Goosechase, HP5 um nur einige zu nennen. Nun liegt es an uns Lehrern, eine kleine Auswahl zu treffen und diese Apps aktiv einzubinden. Es wird empfohlen, sich nach einigen Monaten weiterzubilden, denn viele Apps werden ständig verbessert oder neu entwickelt.
Ein weiterer Aspekt des Kurses war die Anwendung des Smartphones in der Schule und die Rolle der Social Media in der Bildung. Grundsätzlich sind Handys in allen Schulen der Teilnehmer während des Unterrichts untersagt, mit Ausnahme von elektronischen Wörterbüchern in den Sprachen! Da der Lehrer kaum Kontrolle über den Inhalt und die Benutzung der eigenen Schüler-Smartphones hat, empfiehlt sich der Einsatz von Schulgeräten. Außerdem scheinen für die meisten Teilnehmer die Plattformen Tik tok oder Instagram für den Unterricht kaum geeignet. Dennoch sind Informationsveranstaltungen für Eltern und Lehrer sowie Diskussionen mit SchülerInnen über Fake News, Cybermobbing, Computersucht oder pornografische Inhalte äußerst wichtig und sollten regelmäßig in allen Jahrgangsstufen thematisiert und angeboten werden. Eine interessante Website dazu ist www.commonsense.org.
Wir diskutierten außerdem über die Auswirkungen der digitalisierten Welt auf das Lernen. Fest steht, dass unser Gehirn die vielen Informationen anders verarbeitet als vor 20 Jahren. Einige Kompetenzen gehen verloren, wie das langfristige Behalten von Lerninhalten (Was uns nicht interessiert, wischen wir weg!). Unsere Schüler leiden an Computersucht und „Digitalstress“. Es stellt sich also die Frage, ob wir unsere Lerninhalte an die Welt da draußen anpassen sollen und neue (digitale) Kompetenzen um jeden Preis fördern wollen. Wir waren uns einig: Wir brauchen auch in unserer modernen Gesellschaft echte soziale Kontakte, Empathie, Kreativität und Strategien für Problemlösungen. Diese Kompetenzen sind mindestens genauso wichtig wie Tablets und Smartphones!
Außerhalb des Kurses fanden auch ausgezeichnete Führungen in der Altstadt, in der Gartenanlage Jardines del Turia, im Museum der Schönen Künste Museo de bellas Artes und im Stadtteil Cabañal, dem einstigen Fischerdorf vor den Toren der Stadt, auch bekannt für die Osterprozessionen, statt. Wir haben zudem wertvolle kulinarische Tipps erhalten (z.B. wo man die besten Paellas der Stadt essen kann!).
Fazit: Der Kurs war vielfältig und nicht zu theoretisch. Der Austausch mit den TN über die Situation an den Schulen im Ausland kam auch nicht zu kurz. Wir am Dossenberger-Gymnasium können uns mit unserer digitalen Ausstattung wirklich glücklich schätzen! Sicherlich werde ich eine interne Fortbildung zu dem Thema anbieten. Ich komme zurück mit vielen neuen Impulsen für meinen Unterricht und schöne Erinnerungen an die Kultur in dieser wunderschönen Stadt!
C. Wecker